Reise 2009 in die Serengeti

Pierre Schmidt im Gespräch mit den Hazabes (Buschmänner) am Eyasisee. Der Stamm der Hazabes ist Tansanias einziger Stamm von Jägern und Sammlern. Gejagt wird mit Pfeil und Bogen.

Pierre Schmidt im Gespräch mit den Hazabes (Buschmänner) am Eyasisee. Der Stamm der Hazabes ist Tansanias einziger Stamm von Jägern und Sammlern. Gejagt wird mit Pfeil und Bogen.

Vor einigen Jahren sah der Falkner Pierre Schmidt den Film von Bernhard Grzimek aus dem Jahr 1959 „die Serengeti darf nicht sterben“. Ihm viel auf, dass durch den unermüdlichen Einsatz von Bernhard und Michael Grzimek, zwar sehr viel für den Schutz der großen Säugetiere wie Elefant, Nashorn, oder Löwe, getan wurde, aber was war mit den Greifvögeln? Die Adler der Serengeti wurden seit Jahrzehnten nicht mehr eingehend studiert, die Bestandszahlen schwanken um das Hundertfache!

Pierre Schmidt wollte unbedingt in die Serengeti fliegen, um die Entwicklung zu dokumentieren und ein Konzept für den Greifvogelschutz in Ostafrikas aufzustellen. Er konnte den Fotografen Andreas Dick und den Kameramann Norbert Porta von dieser Idee begeistern und so nahmen sie das zugegebenermaßen im Nachhinein „strapaziöse Abenteuer Serengeti“ in Angriff.

Bei den Hadzabe im Nationalpark

Hadzabe bei der Affenjagd

Hadzabe bei der Affenjagd

Im November 2009 flogen sie nach Tansania. Sie mieteten sich einen Toyota Landcruiser und der Guide „GoodLuck“ führte sie zu Beginn der Suche in den Tarangire Nationalpark. Im Dezember gilt dieser Nationalpark als Paradies der Vögel. Leider sahen sie nur einen Steppenadler zusammen mit einem Königsgeier auf einem Baum sitzen. Es gab viel zu wenig Adler, vor allem fehlten die zahlreichen Geier! Bei dem riesigen Nahrungsangebot sollten viel mehr Greifvögel zu sehen sein. Sollte das wirklich nur an der Saison liegen? Bevor sie in die Serengeti aufbrachen, besuchten sie eine Gruppe von ursprünglichen Buschmännern – die Hadzabe.

Über die berüchtigten „African Roads“ arbeiteten sie sich zum Lake Eyasi vor. Am Lake Eyasi leben die Hadzabe, die letzten echten Nomaden Tansanias. Hier wollten sie wissen, welche Bedeutung die Greifvögel für ihre Kultur haben. Die Hadzabe verwenden eine altertümliche Klick Sprache, die ansonsten nur noch von den Buschmännern in der Kalahari verwendet wird. Dennoch sind sie nicht mit diesem Volksstamm verwandt. Sie begleiteten eine Gruppe bei der Jagd. Die Hadzabe jagen nur mit Pfeil und Bogen. Metall verarbeiten sie selber nicht, sondern handeln es in Form von Messern und Pfeilspitzen. Auf die Frage von Pierre Schmidt, wo die Greifvögel geblieben sind, bekomme er zur Antwort, dass die Hadzabes auch die Greifvögel vermissen, allerdings nur weil sie diese am liebsten gegrillt mögen. Auf diese Aussage war Pierre Schmidt nicht gefasst – „ich war total schockiert“.

Am Grab von Michael Grzimek

Am Grab von Michael Grzimek

Am Grab von Michael Grzimek

Vom Lake Eyasi ging es nun weiter in den weltberühmten Ngorongoro Krater auf dem Skelett eines Gnus sitzt ein ausgewachsener Kaiseradler. Dieser Verwandte des europäischen Steinadlers frisst wie alle Adler auch Aas, wenn er es einfach erbeuten kann. Aber wo waren die Geier? Sie sahen Schwarzmilane! Gleich mehrere, die sich um Beute streitenen. Ein solcher Schwarzmilan wurde Michael Grzimek zum Verhängnis. Über dem Kraterrand geriet ein Milan kurz vor Ende der Dreharbeiten in das Flugzeugtriebwerk und führte dadurch zum tödlichen Absturz! Am Grab von Bernhard und Michael Grzimek auf dem Kraterrand werden Erinnerungen wach. Pierre Schmidt fühlt der Tradition der Grzimeks verbunden. „Der Schutz der Natur liegt mir im Blut“.

Sie sahen zwar die ersten Adler, doch es sollten deutlich mehr sein, vor allem fehlten die zahlreichen Geier, obwohl an den Pisten immer wieder Kadaver auftauchen. Pierre Schmidt verabredete kurzfristig ein Treffen mit Dr. Christiane Schelten im Afrika Büro Seronera der ZGF – mitten in der Serengeti. Und wieder 300 Kilometer über staubige Pisten. Endlich sahen sie auch wieder einen Adler – ein Goldsteppenadler saß am Straßenrand.

Ein tödliches Medikament

In Seronera traf Pierre Schmidt die Biologin Christiane Schelten. Sie hatte Untersuchungen vorliegen, die besagten, dass viele Vergiftungen außerhalb der Nationalparks passieren. Es seien Einheimische, die sich schützen wollen und vergiftetes Köderfleisch auslegen. Das wird gefressen, die Tiere sterben und die Aasvögel, die Geier, kommen. Es gab noch ein Medikament, das viel benutzt wurde. Diclofenac, das ein entzündungshemmendes Schmerzmitteln enthält. Wenn ein domestisches Haustier nun stirbt, Kadaver liegen gelassen werden im Feld, Aasvögel kommen und die Kadaver fressen – so kann dieser Medikantementenverzehr ebenfalls tödlich für die Tiere ausgehen.
Die Meeresökologin Christiane Schelten arbeitet genau dort, wo Grzimek Löwen, Elefanten, Giraffen, Gnus und Hyänen filmte und schützte.

Die Meeresökologin Christiane Schelten arbeitet genau dort, wo Grzimek Löwen, Elefanten, Giraffen, Gnus und Hyänen filmte und schützte.

Pierre Schmidt im Gespräch mit Dr. Christiane Schelten, Programmmanagerin des Regionalbüros der Zoologischen Gesellschaft in der Serengeti, Tansania. Die ZGF gründete 14 Jahre nach Grzimeks Tod im Jahr 2001 eine der größten Naturschutzstiftungen Europas: Die Stiftung „Hilfe für die bedrohte Tierwelt“. Herr Schmidt sprach mit Dr. Schelten über den Mara-Fluss, die Lebensader der Region. Der Mara-Fluss hat besorgniserregend niedrige Pegelstände, bedingt durch Abholzungen im Quellgebiet, Bewässerung von Weizen- und Bohnenfeldern und einen enorm steigenden Wasserbedarf für Vieh und Menschen in Kenia. Dadurch ist ein dramatischer Rückgang der Pflanzenfresser zu verzeichnen, was natürlich dann auch ein Rückgang der Beutegreifer und Greifvögel nach sich zieht.

Die Reisegruppe versucht sich daher erst einmal auf die Greifvögel der Serengeti zu konzentrieren. Und der Guide GoodLuck kannte nicht nur jede Schraube am Expeditionsfahrzeug, er fand auch hier die Lieblingsbäume der Adler. Hier sahen sie auf Anhieb den Kampfadler, einen der stärksten Adler Afrikas und einen kleinen Gleitaar.
Nach einer harten Fahrt über chaotische afrikanische Pisten erreichten sie das Quellgebiet des Mara im kenianischen Hochland. Großflächige Abholzungen sind zu erkennen. Eine Katastrophe für die Natur. Die Böden liegen teilweise offen und sind der Erosion schutzlos ausgeliefert. Der kenianische Guide hatte zwar eine beruhigende Nachricht: Die Abholzungen sind endlich gestoppt und auf internationale Interventionen hin wurden über 10.000 Bewohner aus dem Gebiet entfernt sowie jeglicher Holzeinschlag untersagt. Es ist nur zu hoffen, dass im Quellgebiet nun tatsächlich dauerhaft Ruhe einkehrt, denn der Bevölkerungsdruck zwingt die Einheimischen zur Einwanderung in dieses Gebiet. In jedem Fall wird es noch Jahrzehnte dauern, bis sich auf den Kahlschlägen wieder ein funktionierender Bergregenwald als Niederwald regeneriert hat.

Schutz für Greifvögel in Tansania

Von den Quellen des Mara zur Mündung in den Lake Viktoria. In Musoma traf sich Pierre Schmidt mit Robert Angawa – Hotelmanager und Lokalpolitiker. Hier diskutiert Pierre Schmidt mit ihm und Kabinettskollegen über sein Projekt zum Schutz der Adler. Wie sehen die lokalen Politiker eine solche Aktion, unterstützen sie das Projekt oder werden sie es ablehnen? Robert ist afrikanischer Politiker, er liebt die Publicity und nimmt alle Hilfe, die er von aussen erhalten kann. Er findet zwar andere Projekte wichtiger, wie z.B. die Förderung der Infrastruktur – doch er weiß auch um die Bedeutung des Tourismus für Tansania (2003: 578.000 Touristen; 2007: 700.000 Touristen). Ohne die funktionierenden Nationalparks verliert Tansania seine wichtigste Devisenquelle.
In der Zentralserengeti fanden sie schließlich alle Greife auf großen Bäumen sitzend. Der afrikanische Schreiseeadler, die Stimme Afrikas. Nach über 6.000 km auf der Suche nach den Adern Ostafrikas fühlt sich Pierre Schmidt unendlich glücklich, fast alle Greifvögel gesehen zu haben.
„Ich fühle mich frei wie ein Vogel und ich könnte die Arme öffnen und selber hier bleiben und fliegen“.
Leider waren knapp 3 Wochen viel zu kurz, aber die Gruppe musste wieder nach Hause fliegen.
„Ich werde mit traurigen Gefühlen – oder mit glücklichen Gefühlen – zuhause wieder an meine zweite Heimat Serengeti beziehungsweise Zentralafrika zurückdenken.“